Es gibt ein Mittel gegen Krieg, Terror und Ausbeutung |SOSYALİST ALTERNATİF

Views 474
Okuma Süresi7 Dakika

Für die Einheit der türkischen und kurdischen Arbeiterklasse – Erklärung von Sosyalist Alternatif vom 2. April 2016

Die beiden Bombenanschläge von Ankara, die innerhalb eines Monats verübt worden sind, haben nicht nur etliche unschuldige Menschenleben gefordert sondern auch dem Regime unter Erdoğan in die Hände gespielt, weil sie die Freiheitsbestrebungen des kurdischen Volkes und dessen Kampf gegen das Regime in Verruf gebracht haben. Was die Methode und die Folgen angeht, unterscheiden sich solche politisch motivierten Gewaltakte nicht von den Attacken der Dschihadisten des „Islamischen Staats“, die mit Exekutionen gegen KurdInnen, die Arbeiterklasse und SozialistInnen vorgehen. Das kann nicht der Weg sein, auf dem eine Welt frei von Gewalt und Unterdrückung zu erreichen ist. Wie auch immer die Begründung für eine solche Tat aussehen mag – Sosyalist Alternatif (Schwesterorganisation der SAV in der Türkei, A.d.Ü.) identifiziert sich nicht mit politischen Akten und Methoden, die der herrschenden Klasse in die Hände spielen. Schließlich bringt das den legitimen Kampf der Arbeiterklasse und des kurdischen Volkes in Verruf. Bei solchen Methoden handelt es sich in erster Linie um individuellen Terrorismus.

Im Herzen der zwei größten Städte des Landes sind terroristische Anschläge verübt worden. 42 Menschen fanden dabei den Tod. Zu dem einen Anschlag hat sich die Gruppe TAK („Teyrêbazên Azadiya Kurdistan“ / „Freiheitsfalken Kurdistans“) bekannt, der andere wurde vom „Islamischen Staat“ in İstanbul verübt.

Da diese Anschläge sich direkt gegen ZivilistInnen gerichtet und Angst und Schrecken hervorgerufen haben, versuchen diejenigen, die ihre Machtpositionen verteidigen wollen, uns glauben zu machen, dass es sich hierbei um einen Schicksalsschlag handelt. So schrieb beispielsweise Abdulkadir Aksu, ein bekannter AKP-freundlicher Journalist, dass wir uns „daran gewöhnen“ müssen, mit dem Terrorismus zu leben.

Präsident Erdoğan und Premierminister Davutoğlu haben versucht, den Bombenanschlag vom Januar mit den KurdInnen der PYD in Verbindung zu bringen und auf diese Weise eine Rechtfertigung für eine militärische Intervention in Rojava und Syrien zu liefern. Sie wollen die jüngsten Anschläge dazu nutzen, um alle, die sich in Opposition zu ihnen befinden, als Terroristen zu brandmarken und sie somit zu unterdrücken. Dieser Logik folgend werden sie die Bedeutung des Begriffs „Terror“ ausweiten, um alle WidersacherInnen von Erdoğan ins Visier zu nehmen! Sie haben bereits ein Konzept vom „unbewaffneten Terroristen“ ausgeheckt und begonnen, davon Gebrauch zu machen.

Erdoğan, der es eigentlich liebt, in seinen Reden die westlichen Staaten vorzuführen, ahmt diese in Wirklichkeit nach. Erdoğan und die AKP-Regierung nutzen dieselben Methoden wie die imperialistischen Regierungen der USA, Frankreichs und anderer Länder als Möglichkeit, um demokratische Rechte zu beschneiden statt den Forderungen der Arbeiterklasse zu entsprechen. Stattdessen werden die Befugnisse der Polizei ausgeweitet. Dementsprechend setzen sie auf Gesetzesänderungen und schüren Ängste, die die jüngsten Anschläge unter großen Teilen der Bevölkerung unweigerlich hervorgerufen haben.

All diese Gesetze und Erlasse, die Erdoğan und seine Regierung derzeit planen, sind darauf ausgerichtet, jegliche Forderungen und Rechte der türkischen und kurdischen arbeitenden Menschen einzuschränken. Es handelt sich hierbei um politische Mittel der Unterdrückung aller, die gegen Korruption, Erwerbslosigkeit, hohe Lebenshaltungskosten und Umweltzerstörung sind. In Artvin Cerattepe, einem Ort im Nordosten der Türkei, hat die Bevölkerung den Widerstand gegen Bergbauaktivitäten organisiert, um die Umwelt zu schützen. Hinzu kommen natürlich die lange schon vorgebrachten Forderungen des kurdischen Volkes nach demokratischen Rechten. Diese Gesetzgebungspraxis wird auch gegen MetallarbeiterInnen zum Einsatz kommen, die für ihre Belange kämpfen, und gegen alle anderen Kämpfe der Beschäftigten, die bisher noch gar nicht begonnen haben.

Erdoğan und die AKP sind verantwortlich

In erster Linie sind dafür Erdoğan und seine Anhänger in der AKP-Regierung verantwortlich. Angetrieben von ihren neo-osmanischen Ambitionen in Syrien haben sie die kurdische Frage in einen Bürgerkrieg verwandelt und dschihadistische Gruppen unterstützt.

Kein Terroranschlag kann staatlich verübte Massaker rechtfertigen. Das kurdische Volk hat seit Juli 2015 eine große Tragödie erleben müssen. Zu diesem Zeitpunkt wurde den Verhandlungen mit den KurdInnen ein brutales Ende gesetzt und Erdoğan übt einen umfassenden Krieg im Namen des „Kampfes gegen den Terror“ aus, bei dem er alle Waffengattungen der Armee zum Einsatz kommen lässt. Die Situation in der Stadt Cizre nach einer dreimonatigen Ausgangssperre ist immer stärker vergleichbar mit der Lage in Aleppo oder in Kobane, Städte, die durch eine Belagerung des IS förmlich in Stücke zerrissen worden sind. Vor kurzem sind 200 zumeist zivile und verletzte Personen, die in drei Kelleretagen eines Gebäudes gefangen waren, vor den Augen der türkischen Öffentlichkeit umgebracht worden. Wer sich an solche Übergriffe gegen die KurdInnen gewöhnt, müsste dann auch über die Terroranschläge, die in Ankara und İstanbul stattfinden, schweigen.

Die AKP hat nie gezögert, im Sinne ihrer neo-osmanischen Bestrebungen grausame dschihadistische Organisationen zu unterstützen. Hinzu kommt die von ihr als „Alptraum“ wahrgenommene Möglichkeit, dass die KurdInnen in Nord-Syrien ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen könnten. In Folge dessen ist der türkische Staat in den Hinterhof der Dschihadisten vorgedrungen. Diese Dschihadisten haben Angriffe auf KurdInnen, die Arbeiterbewegung, SozialistInnen und nicht-moslemische TouristInnen verübt. Zu den Opfern dieser Schlächter zählen 33 junge SozialistInnen in Suruç, 102 DemonstrantInnen, die vor einem Bahnhof in Ankara für „Frieden, Demokratie und Arbeit“ demonstriert haben, und 16 TouristInnen in İstanbul. Den Staat hat der IS ganz offensichtlich nicht im Visier. Sollte es dazu kommen, so wird die „Pakistanisierung“ der Türkei einsetzen. IS-Anhänger innerhalb der Türkei und militante Kämpfer in ihren Reihen in Syrien würden die Türkei wahrscheinlich gerne in ein neues Afghanistan oder Pakistan verwandeln, wo die Grundlagen des Staates demoliert sind und jeden Tag Menschen ums Leben kommen. Das kann selbst in einer Gesellschaft wie der türkischen Realität werden, die weiter entwickelt ist als die genannten Staaten, und wo die Arbeiterklasse stärker ist.

Unterdessen beschuldigen Erdoğan und die Regierung jede kritische Stimme und Opposition der Spionage und der Unterstützung des Terrorismus. Can Dundar und Erdem Gul (zwei Journalisten, A.d.Ü.) sind mit dem Vorwurf der Spionage angeklagt worden, nur weil sie staatliche Dokumente aufgedeckt haben, die Auskunft über die Unterstützungstätigkeit für dschihadistische Kräfte geben. Von daher würde ein Stillhalten in einer solchen Situation bedeuten, dass man auch die schleichende „Pakistanisierung“ der Türkei stillschweigend mit ansieht.

Unsere Methoden sind der Streik, Massendemonstrationen und Besetzungen

Es kommt einem schon sehr ironisch vor, dass die beiden Anschläge, die von den TAK verübt worden sind (die behaupten, für die Rechte des kurdischen Volkes zu kämpfen,) und der vom IS verübte Anschlag (eine Struktur, die Menschen bei lebendigem Leib verbrennt, sie köpft und rücksichtslos mordet,) in der Bevölkerung im Großen und Ganzen gleichgesetzt werden.

In seinem Interview mit dem türkischsprachigen BBC-Sender sagte Serhat Varto, Sprecher der KCK (der urbanen Organisation der PKK): „Wir kämpfen nicht nur für kurdische Menschen. Wir kämpfen für alle Völker in der Türkei, damit wir als Gleiche, frei und brüderlich zusammenleben können […] Solche politisch motivierten Akte schaden unseren Zielen. Wir fordern alle dazu auf, so etwas zu verhindern. Wenn Akte verübt werden, die sich gegen staatliche Einrichtungen richten, müssen wir uns von Haltungen distanzieren, die dem Verlangen der Völker und dem Wunsch nach Koexistenz entgegenstehen“. Er wies jegliche Verbindung mit den Anschlägen zurück. Allerdings ist auch nicht besonders überzeugend, dass die TAK diese Anschläge ohne Wissen der PKK verübt haben soll.

Wenn diese Situation andauert, dann wird es immer schwerer werden, zur Einheit des legitimen Kampfes des kurdischen Volkes mit dem Kampf der breiteren Schichten der Arbeiterklasse zu kommen. Die HDP hat die Terroranschläge verurteilt. Diese korrekte politische Haltung hat Erdoğan und die Nationalisten teilweise enttäuscht. Sosyalist Alternatif unterstützt die Erklärung der HDP. Die „einfachen“ Leute, die im Westen des Landes leben, sind nicht für die vom Staat verübten Massaker in Nord-Kurdistan verantwortlich, und die KurdInnen, die für sich demokratische Rechte einfordern, sind nicht für Terroranschläge verantwortlich.

Es ist ein Kampf sowohl gegen Erdoğan wie auch gegen die AKP nötig. Für ein Regime, das selbst die letzten Stützen der Legalität zerstört, AkademikerInnen inhaftiert, nur weil sie einen Friedensaufruf unterzeichnet haben, JournalistInnen verhaftet, weil diese ihre Arbeit tun, und noch auf die kleinste Demonstration mit Wasserwerfern reagiert, kann das eigene Überleben nur durch Spaltung gesichert werden. Wir müssen die Versuche der herrschenden Klasse zurückweisen, die ihre Herrschaft dadurch aufrechterhalten will, indem sie uns spaltet. Geht man von der Perspektive der Arbeiterklasse aus, so stellen wir die Mehrheit und sie sind nur eine handvoll Menschen. Wir sind die stärkere Kraft, so lange wir uns bewusst für diesen Kampf organisieren. Die Arbeiterklasse hat enorme Macht im Produktionsprozess und der Wirtschaft insgesamt. Wenn wir von dieser Macht durch Massenstreiks, Demonstrationen und Besetzungsaktionen Gebrauch machen, dann kann nichts anderes stärker sein.

Nein zu den Kriegen, Massakern und der Ausbeutung – egal, ob in Ankara oder in Cizre!

sozialismus.info

Previous post For the unity of Turkish and Kurdish working classes |SOSYALİST ALTERNATİF
Next post Politik kriz derinleşirken |İsmail N. OKAY